Die Judenbuche
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INFO DAS PROJEKT BETEILIGTE RESONANZ DIE JUDENBUCHE

„Die Judenbuche“

ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen

Annette von Droste-Hülshoffs Novelle „Die Judenbuche“ wurde erstmals im Jahre 1842 im „Cottaschen Morgenblatt für gebildete Leser“ veröffentlicht. Sie zählt heute zu den meist gelesenen Novellen der deutschen Literatur. Der Kriminalgeschichte liegt eine wahre Begebenheit „aus dem gebirgichten Westfalen“ zugrunde, die der Dichterin aus Überlieferungen vertraut war. Das Werk ist jedoch nicht nur eine Kriminalnovelle, sondern - wie der Untertitel bereits verrät – eine Milieustudie, ein „Sittengemälde“, das die soziale Unordnung und Unmoral der Gesellschaft widerspiegelt.

Die Erzählung spielt um die Mitte des 18. Jahrhunderts im westfälischen Dorfe B., das inmitten tiefer und stolzer Waldeinsamkeit liegt. Holz- und Jagdfrevel sowie Rechtsverletzungen sind in dem abgelegenen Dorfe an der Tagesordnung, denn die „Begriffe von Recht und Unrecht“ sind unter den gesetzlosen Einwohnern in Verwirrung geraten.

Die Hauptfigur der Novelle, Friedrich Mergel, wird 1738 als einziger Sohn des Halbmeiers und Säufers Hermann Mergel in völlig verwahrloste und verkommene Familienverhältnisse geboren. So ist Friedrich schon durch seine Herkunft für seinen weiteren Lebensweg geprägt. Es dauert nicht lange, bis auch er durch eine Verkettung von Ereignissen in das Unheil hineingezogen wird. Als er neun Jahre alt ist, kommt sein betrunkener Vater in einer rauen, stürmischen Winternacht im abgelegenen Brederholz um. Infolgedessen gibt seine Mutter ihn drei Jahre später in die Obhut des zwielichtigen Oheims Simon Semmler, ein unheimlicher Geselle mit Fischaugen und einem Gesicht wie ein Hecht. Der ehemals verschlossene, scheue Junge verändert unter dem negativen Einfluss des Onkels seinen Charakter. Seine Schüchternheit und Schwermut wandeln sich in Hochmut und Bösartigkeit. Sein ständiger Begleiter und Freund, sein stiller Doppelgänger Johannes Niemand, verkörpert hingegen sein abgelegtes Ich, sein verkümmertes Spiegelbild.


Nach weiteren vier Jahren, im Herbst 1760, wird der stolze Friedrich Mergel auf einem Hochzeitsfest im Dorfe B. vom Juden Aaron öffentlich bloßgestellt. Er schuldet dem jüdischen Kaufmann noch zehn Taler wegen einer Taschenuhr. Aus verletztem Ehrgefühl begeht der Gedemütigte in der folgenden Nacht einen Mord am Juden Aaron; er erschlägt ihn. Drei Tage später wird dessen Leichnam unter einer Buche aufgefunden, die im weiteren Verlauf der Handlung als Dingsymbol der Novelle fungiert.

Friedrich flüchtet nach der Tat mit seinem treuen Freund Johannes in die Ferne. Er kann des Mordes nicht überführt werden. Erst nach 28 Jahren kehrt er als gebrochener, alter Mann in seine Heimat zurück. Er gibt sich allerdings als Johannes Niemand aus, der aus türkischer Sklaverei heimgekehrt ist und wird auf dem Schloss des Gutsherrn aufgenommen. Doch das quälende Gewissen treibt den armseligen Krüppel immer wieder ins Brederholz, zur so genannten „Judenbuche“, an der er sich letztlich erhängt und damit selbst richtet. An einer Narbe wird der Tote schließlich als Friedrich Mergel erkannt. In seinem Selbstmord erfüllt sich auf unheimliche Weise die hebräische Inschrift an der „Judenbuche“: „Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast!“ Mord und Selbstmord geschehen in einer schicksalhaften Verbindung am gleichen Ort. Entsprechend der Buche, die sowohl zum Zeichen des Unheils als auch zum Symbol der Gerechtigkeit wird, erscheint die Natur in der Novelle stets als Richter und Zeuge. Am Ende sind zwar nicht alle Fragen und Umstände der Geschichte restlos aufgeklärt, doch in den Augen des Lesers sind Recht und Gerechtigkeit wieder hergestellt.

Judith Becker M.A.

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